Living Quesir- eine Traumstadt zwischen Frohsinn und Armut

Es ist allerhöchste Eisenbahn: der Kunstkalender für 2022, gefüllt mit Bildern die auf meiner eindrücklichen Fotoreise in die Ägyptische Altstadt El Quesir entstanden, sollte zum Ende des Jahres in den Verkauf gehen. Der Erlös des Kalenderverkaufs geht an die NGO "Roaya", die sich auf bewunderswert starke Weise in El Quesir um alle kümmert, die Hilfe brauchen. 
Bis zum Ende des Jahres können wir nicht warten. Diese Menschen, die ihr Leben lang uns Touristen so herzlich empfangen haben, haben nun nichts mehr. Ich wollte dieser Stadt aus lauter Dankbarkeit schon etwas zurückgeben, bevor diese Krise begann. Und nun erst recht.


Kunstkalender 2022

Hochwertiger Druck 30x40 cm

 

Kostet:
39 Euro (Spende an ROAYA)

 

Um den Kalender zu erhalten, sende mir eine Nachricht mit Deiner Anschrift. Du erhältst dann die Zahlungsdetails.

 

Beinhaltet: 12 eindrucksvolle Bilder meiner Fotoreise. Zusätzlich schreibe ich eine Geschichte zur Entstehung jedes der Bilder und lege es bei. So kannst Du tief in diese ganz andere, ferne Welt eintauchen.

 

Die Gestaltung und den Druck der Kalender hat mein lieber Kollege Joachim Herold übernommen. Tausend Dank dafür, lieber Joachim!

Ein Tag in El Quesir. Oder: Warum es unmöglich ist, in dieser Stadt pünktlich zu einer Verabredung zu kommen

 

 

„Früher habe ich als Lehrerin gearbeitet. Ich habe es geliebt!“ 

„Und jetzt?“ frage ich. „Jetzt bin ich verheiratet.“.

 

Das Leben in dieser traditionellen ägyptischen Kleinstadt hat viele Facetten. Nach einer Woche täglich von morgens bis abends auf der Straße, mit meiner Kamera und vielen, vielen Gesprächen, kann ich viele Eindrücke mitnehmen. Aber längst kein klares Bild. 

 

Die ägyptische Kleinstadt El Quesir liegt am Roten Meer zwischen Marsa Alam und Hurghada. Das einzige Hotel in der Stadt wird geführt von einem jungen Ägypter. Als ich ankomme, ist der Inhaber nicht da. Er schreibt mir eine Nachricht: „Bin gerade in Kairo, heiraten!“ Außer mir ist noch ein ägyptisches Paar mit einem dreijährigen Jungen aus Kairo zu Besuch. Der Junge heisst Ahmed. Der Papa auch. 

 

Die meisten Menschen machen in Ägypten Resort- Urlaube. Drei Monate zuvor habe ich das auch gemacht. Für mich- Typ unkonventionelle Individualreisende- sind diese Resorts, die außerhalb der Städte irgendwo zwischen Wüste und Meer liegen, wie goldene Käfige. Alles sauber, alles nett, alles westlich. Aber auch alles fröhlich und herzlich. Zum Glück haben wir bei unserem ersten Urlaub in Ägypten den Fremdenführer Tito kennengelernt. Er hat uns mitgenommen in seine Stadt El Quesir, wo wir Touris endlich mal echtes ägyptisches Leben sehen durften. Dieser Tag in El Quesir hat mich so berührt, dass ich drei Monate später aufgebrochen bin, um allein eine Woche lang in dieser kleinen Altstadt zu leben und mir das Leben dort mit meiner Kamera etwas genauer anzusehen. 

 

Jeden Tag verlasse ich das Hotel früh morgens, nur mit meiner Kamera in der Hand. Am ersten Tag habe ich mir noch eine Flasche Wasser mitgenommen. Aber die brauche ich auf meinen Touren gar nicht. Nicht, weil ich bei 35 Grad kein Trinken bräuchte. Sondern weil ich ohnehin an jeder Ecke auf Tee eingeladen werde. Meistens ohne Hintergedanken, meistens -gefühlt- aus purer Herzlichkeit und mit aufrichtigem Interesse an den Unterhaltungen.

Das ist genau die Sache, der ich etwas genauer auf den Grund gehen wollte. Die Menschen kamen mir hier so aufrichtig aufgeschlossen und herzlich vor- das musste ich mir einfach genauer ansehen. Warum sind die hier alle bloß so fröhlich? 

 

Mit meinen 40 Wörtern und Sätzen auf ägyptisch-arabisch, die ich für diese Reise gelernt habe, komme ich gut zurecht und mit jedem leicht ins Gespräch. Viele können englisch, manche sogar etwas deutsch- es wird hier auf den Schulen gelehrt oder die Menschen haben es durch jahrelange Begegnungen mit deutschen Touristen gelernt. Viele Menschen aus dieser Stadt arbeiten in den vielen Resort- Hotels, die sich an der Küste entlangreihen.

 

Es ist 10 Uhr, ich habe Zeit bis 16:00 Uhr. Dann habe ich eine Verabredung mit Ali. Er ist der Gründer der NGO „ROAYA“, die sich in El Quesir einfach für alles engagiert. Sie bauen kleine Häuser für Familien, die mit ihren Kindern am Stadtrand in Zelten leben. Sie bringen Woche für Woche Nahrungsmittel für Menschen, deren Geld nicht für Nahrung reicht. Sie helfen Menschen, Arbeit zu finden oder sich eigene Geschäfte aufzubauen, die ihren Lebensunterhalt sichern. Sie arbeiten unermüdlich daran, den Kindern der Stadt ein starkes Bewusstsein für die schützenswerte Meereswelt mitzugeben. Sie lehren die Kinder, was in den Meeren lebt. Sie zeigen ihnen, wie Verschmutzung in den Meeren entsteht und was sie dagegen tun können. Als ich heute morgen aufwachte, waren da drei Jungs am Strand gegenüber vom Hotel. Sie haben den Müll gesammelt, der mit jeder Flut angeschwemmt wird. Während im ganzen Land die Korallenriffe von uns Touristen nach und nach zerstört werden, laufen hier morgens um 07:00 Uhr die siebenjährigen am Strand entlang und sammeln Müll auf, den sie selbst wahrscheinlich nicht verursacht haben. Chapeau. 

 

Ich habe noch viel Zeit. Den ersten Tee bekomme ich im Gewürzladen bei Ahmed. Ahmed lacht immer. „Wir sind hier alle so fröhlich, weil wir unsere Aufgaben klar teilen. Ich verdiene das Geld. Meine Frau kümmert sich um die Kinder und das Haus. Jeder weiß, was zu tun ist. Ich weiss nicht, wie wir entspannt sein sollten, wenn wir beide den ganzen Tag arbeiten und uns beide zusätzlich halb um die Kinder und den Haushalt kümmern sollten. Da kann man doch nicht entspannt sein, das würde uns wahnsinnig machen. Ich sage nicht, dass Männer arbeiten und Frauen putzen müssen. Ich putze auch. Ich sage nur, dass die Familienarbeit sehr wichtig ist und nicht nebenbei funktioniert. Es ist das wichtigste. Wichtiger als Geld verdienen. Aber Geld brauchen wir auch.“ 

Zuerst finde ich diese Aussage schrecklich. Willkommen im 19. Jahrhundert. Im laufe der nächsten Monate werde ich aber noch erfahren, dass ein kleiner Teil dieser Aussage auf seine Weise einen Funken Wahrheit enthält. Wenn beide arbeiten und Kind und Haus nur nebenbei laufen- das macht unglücklich. Ich habe es, wenige Monate, nachdem ich mich so über diese Einstellung ärgerte, selbst zu spüren bekommen. 

Ich weiss jetzt, was mich wirklich an dieser Aussage geärgert hat: dass die meisten Frauen in dieser Kultur wohl kaum keine Wahl haben. Dass es festgelegt und beinahe in Stein gemeißelt ist. Das ärgert mich. Und in Deutschland ist es beinahe andersherum. Hausfrau zu sein ist verrufen. NUR Hausfrau? Soso! 

 

Weiter geht´s. Jetzt aber schnell ein paar Fotos. Eine sehr alte Frau am Straßenrand möchte nicht fotografiert werden, freut sich aber über mein Ägyptisch. Sie gibt mir zu verstehen, dass Sie zu alt und nicht schön genug für ein Foto ist. Ich kann sie nicht überreden. Zwei Stunden und einige Eindrücke, Gespräche und Fotos später, bin ich auf dem Weg zu Rasta und laufe wieder an der Frau vorbei. Sie sagt mir, dass sie jetzt bitte doch fotografiert werden möchte. Ich mache ein einziges Foto. Zeige es ihr. Sie lächelt übers ganze Gesicht, bedankt sich, küsst mich auf die Wange und ist fröhlich. 

 

Zwei Frauen, eine mit Baby, eine schwanger, stehen an ihrer Haustür und laden mich auf einen Tee in ihr Wohnzimmer ein. Ein alter Fischer zeigt mir seine gerade gefangenen Tintenfische. Ich komme hier eigentlich keine 100 Meter voran, ohne angequatscht zu werden.

 

Mein Treffen mit Ali rückt näher, aber vorher möchte ich noch kurz bei Rasta vorbei. Er hat einen Laden an der Hauptstraße, spricht fließend englisch und es macht Spass, mit ihm über Gott und die Welt zu philosophieren. Um Punkt 16:00 finde ich mich mit Rastas Frau und deren Neffen am abseits der Stadt gelegenen Strand wieder. Die beiden haben mich auf dem Moped mitgenommen und mir einen alkoholfreien Cocktail ausgegeben. „Kein Stress“, sagen sie. „Er wird eh nicht pünktlich sein!“

 

Als ich auf das Cafe zulaufe, in welchem wir uns treffen wollen, kommt Ali aus einer Seitenstraße, schnellen Schrittes in Richtung Café. „Kommst Du auch gerade erst?“ fragt er. Es ist 16:50. „Ja, ich wurde noch eingeladen und konnte nicht weg“ sage ich. „Ich auch. Willkommen in Ägypten. Wer irgendwohin pünktlich kommt, ist nicht richtig angekommen. Du bist jetzt offiziell in Ägypten eingebürgert!.

Was ich von Ali erfahre, beeindruckt mich: Die NGO „ROAYA“ (was übersetzt „Vision“ bedeutet) kümmert sich in dieser herzlichen Kleinstadt am Roten Meer seit 2008 um fast alles, was wichtig ist. Sie versorgen die ärmsten Familien regelmäßig mit Lebensmitteln, bauen Häuschen für Familien, die am Stadtrand in Zelten leben, sie helfen Menschen mit Spendengeldern und Expertise, sich eigene kleine Unternehmen aufzubauen. Sie haben Bildungsprogramme auf die Beine gestellt, die den Kindern von El Quesir eine bessere Bildung ermöglichen. Die jungen Männer und Frauen, die der NGO angehören, haben ein Meeresschutzprojekt ins Leben gerufen: den Kindern von sämtlichen Schulen wird hier in Workshops vermittelt, wie sie das Leben des Roten Meeres schützen können. Ich habe jeden Morgen Kinder gesehen, die den Müll, der mit jeder Flut angeschwemmt wird, vom Strand absammelten. Ich denke, das spricht für sich. 

Weil ich dieser inspirierenden Kleinstadt, in der ich während meiner Fotoreise wirklich herzlichst aufgenommen wurde etwas zurückgeben möchte, geht der Erlös des Kalenderverkaufs an die bewundernswerte NGO ROAYA. 

 

Abgesehen von Bildern, habe ich von dieser Reise einige handgeschriebene Zettel mit Aussagen von Menschen, die ich getroffen habe, mitgebracht.

 

 

„Ich bin zufrieden, weil ich bescheiden leben kann. Ich brauche kein teures Haus- so etwas gibt es in dieser Stadt sowieso nicht. Ich brauche kein teures Auto- auf mein Moped passt die ganze Familie. Und Regen kommt hier nur wenige Male im Jahr... Ihr Deutschen geht arbeiten um Euch dann teure Sachen zu kaufen. Dann wäre ich auch nicht fröhlich! Bescheidenheit macht mich glücklich.“

 

„Hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Leute lachen und sind herzlich, aber wir sind auch mal traurig und unzufrieden. Darüber, dass unsere Kinder keine gute Schule besuchen und somit auch keine größeren Chancen bekommen als wir. Wir wissen, dass wir dieses Land niemals verlassen werden. Ich werde niemals irgendwohin fliegen, niemals eine andere Kultur kennenlernen. Aber wir können nach kleinem Glück streben. Wir sind füreinander da und wenn jemand Hilfe braucht, dann bekommt er sie auch. Wir sitzen alle im selben Boot und machen uns unser Leben, so gut es geht, so schön wie möglich. Die Gemeinsamkeit macht uns fröhlich. Wir sind frei- auf einer anderen Ebene. Wir zeigen nicht mit dem Finger aufeinander, wir sind nicht neidisch auf Materielles. Ich will fröhlich sein, nicht reich.manchmal gelingt mir das. Nicht immer.“

 

„Wir sind füreinander da und das macht uns glücklich und frei. Bin ich unglücklich, wird es auch nicht besser. Dann kann ich auch einfach immer fröhlich sein.“

 

 

 

Hier einige Bilder für Dich, die es NICHT in den Kalender geschafft haben:

Jeden Tag ein Frühstück am schönsten Frühstückstisch der Welt.

Cocktails trinken am Strand mit Rasta´s Neffen und seiner Frau.

Rasta.

Ich, nachdem ich den freundlichen Mann vor seinem Haus fotografiert habe.

Die Gespräche mit diesem Mann waren mehr als eindrücklich. Neben ihm sitzt seine Mama. Er erzählte mir, dass er meinen Freund Tito kennt und dieser sich für ihn einsetzte, nachdem die Shopbesitzer seinen Straßenverkauf nicht dulden wollten. Nun kann er an der Straße verkaufen. Doch es ist zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel...

Hier ist er mit seiner ganzen Familie. Vor allem die muslimischen Frauen wollen meistens nicht fotografiert werden.

Schulkinder sind ganz neugierig und wollen immer fotografiert werden. Manche trauen sich auch, zu fragen.

Ali am Strandcafé bei unserem Gespräch über seine NGO "Roaya"

Drei Jungs schreiben mir ihre Handynummer auf, damit ich ihnen ihre Bilder senden kann... Sie haben sich sehr über die Bilder gefreut.

Im Hotel: ein Mitarbeiter. Er kann weder englisch, noch deutsch. Google translator hat geholfen und er hat mir noch einiges auf Ägyptisch-Arabisch beigebracht!

Die Straßen von El Quesir. Das Licht ist hier immer wundervoll...

Ein Mann sendet mir seine Whatsapp- Nummer, damit ich ihm sein Familienportrait senden kann.

Eine liebe, fröhliche Familie freut sich, fotografiert zu werden...